Ein Bild.

Brigitte Thies-Bött­cher in der Pachorialkirche
Foto: Benja­min Gutzler

Warum braucht die Stadtmitte wieder das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster ?

Schulbau am alten Standort

Von Brigitte Thies-Böttcher

Was erwar­ten Sie von mir und uns heute an diesem Standort?

Zuerst werden Sie wissen wollen, warum wir, warum der Förder­ver­ein Graues Klos­ter-Mitte, davon über­zeugt ist, dass das Berli­ni­sche Gymna­sium zum Grauen Klos­ter wieder an seinem alten Stand­ort entste­hen soll.
Und natür­lich werden Sie wissen wollen, wie man sich dies konkret vorzu­stel­len hat. Wie kann oder soll das ausse­hen? Was für eine Schule soll und könnte es sein?

Sie werden fest­stel­len, wenn Sie durch diese Ausstel­lung gehen, dass das Berli­ni­sche Gymna­sium zum Grauen Klos­ter drei­mal sehr promi­nent vorkommt, auch andere Vereine haben sich des Grauen Klos­ters ange­nom­men. Ein paar eindrück­li­che Fotos und viele beein­dru­ckende Namen? Schön, inter­es­sant und auch ernüch­ternd anzu­schauen. Aber was folgt daraus?

Ich möchte Ihnen deshalb – sozu­sa­gen im Schnell­durch­gang – anhand eini­ger heraus­ra­gen­der Wegmar­ken die Histo­rie des Ortes etwas näher brin­gen und Ihnen auch verdeut­li­chen, weshalb wir der festen Über­zeu­gung sind, dass es sich lohnt, sich für diese Schule an diesem Ort einzusetzen.

Das Klos­ter­vier­tel, dieser Urort Berlins, schreit nach Befrei­ung von Brach­flä­chen und sehnt sich nach einem mensch­li­chen Maß und nach Bewoh­nern, die es in das Herz der Stadt zieht – um der Seele willen und für Berlin.

Pfar­rer Gregor Hoberg von der St. Petri-/ St. Marien-Gemeinde

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Das Berli­ni­sche Gymna­sium zum Grauen Klos­ter wurde 1574 vom bran­den­bur­gi­schen Kurfürs­ten Johann Georg als städ­ti­sches Gymna­sium gestif­tet. Einige Gebäude des im Zuge der Refor­ma­tion aufge­ge­be­nen Fran­zis­ka­ner­klos­ters, „Graues Klos­ter” – benannt nach der Farbe der Mönchs­kutte – stellte er der neuen Schule zur Verfü­gung. Wir, der Förder­ver­ein, setzen uns aus ehema­li­gen Schü­lern der alten Schule, aus Eltern und Kolle­gen der neuen Schule in Schmar­gen­dorf, aus Enga­gier­ten aus Ost und West zusam­men. Wir sind der Über­zeu­gung, dass die Berli­ner Stadt­ge­sell­schaft diesen Ort nicht unter einer Grün­flä­che verschwin­den lassen darf. Dieser Ort war für das geis­tige und kultu­relle Leben Preu­ßens, dieser Stadt, aber für auch das ganze Land und darüber hinaus für die euro­päi­sche Bildungs­land­schaft und Kultur über 400 Jahre lang prägend. Harald Boden­schatz schrieb im Tages­spie­gel am 9. Okto­ber 2018, dass dieses Vier­tel als das „Berlin der Tole­ranz” ange­se­hen werden müsse, verkör­pert unter ande­rem durch die außer­ge­wöhn­li­che Freund­schaft zweier außer­ge­wöhn­li­cher Menschen, Gott­hold Ephraim Lessing und Moses Mendels­sohn, die im 18. Jahr­hun­dert in diesem Vier­tel lebten und wirkten.

Ansicht des Berli­ni­schen Gymna­si­ums zum Grauen Kloster
Foto: Landes­bild­stelle Berlin

Wie eingangs erwähnt, wurde die Schule als städ­ti­sche bezie­hungs­weise öffent­li­che Schule im 16. Jahr­hun­dert gegrün­det. Sie war – gemäß der in Preu­ßen herr­schen­den reli­giö­sen Tole­ranz – konfes­sio­nell nicht gebun­den, sondern zeich­nete sich durch eine große Welt­of­fen­heit und Libe­ra­li­tät aus. Schon bald entwi­ckelte sich die Schule zu einer der ange­se­hens­ten Insti­tu­tio­nen der Stadt und blieb dies bis heute.

Im 17. Jahr­hun­dert enga­gierte sich die Berli­ner Stadt­ge­sell­schaft auch finan­zi­ell für die Schule. Der bekann­teste Spen­der und Förde­rer war Sigis­mund von Streit, der der Schule seine berühmte Gemäl­de­samm­lung und seine Biblio­thek vermachte. Mit Spen­den ermög­lich­ten Berli­ner Bürger mittel­lo­sen Schü­lern den freien Besuch des Unter­richts und des Inter­nats. Die Lehrer­ge­häl­ter wurden eben­falls durch Spen­den aufge­stockt. (Heute wäre das undenk­bar, und das in einer Zeit, in der die Lehrer einer­seits einen schlech­ten Ruf genie­ßen, ande­rer­seits die Gesell­schaft sie wegen ihrer schwie­ri­gen Aufgabe bedau­ert. Aber am Ende bekom­men sie nicht die Unter­stüt­zung, die sie benö­ti­gen. Jeder wusste vor drei Jahren, dass das Land zusätz­lich sehr viele Lehrer braucht. Unver­ges­sen ist in diesem Zusam­men­hang auch Ex-Bundes­kanz­ler Schrö­ders Wort von den „faulen Säcken“.)

Im 18. Jahr­hun­dert zeigte die Schule für dama­lige Zeiten viel Inno­va­ti­ons­po­ten­tial, wie man heute sagen würde. Sie war rich­tig modern. Denn zusätz­lich zu den philo­so­phi­schen Fächern, die tradi­tio­nell an einem huma­nis­ti­schen Gymna­sium unter­rich­tet wurden, kamen die Diszi­pli­nen hinzu, die man heute als Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten bezeich­nen würde, also Geschichte und Geogra­phie. Zu den klas­si­schen alten Spra­chen Latein und Grie­chisch traten moderne Fremd­spra­chen hinzu. Englisch, Fran­zö­sisch, Italie­nisch, zeit­weise auch Russisch und Polnisch.

Im 19. Jahr­hun­dert entwi­ckelte sich die Schule als Vorbild für Schu­len über die Landes­gren­zen hinaus. Das preu­ßi­sche Schul­we­sen galt als vorbild­lich. Die Schule wurde als Modell­schule für Einrich­tun­gen in Polen und Russ­land ange­se­hen. Sowohl im 18. als auch im 19. Jahr­hun­dert absol­vier­ten viele bedeu­tende Geis­tes­grö­ßen diese Schule.

links: Sigis­mund Streit (*13. April 1687 in Berlin,
† 20. Dezem­ber 1775 in Padua), Klos­ter-Schü­ler und Förde­rer des Berli­ni­schen Gymna­si­ums zum Grauen Klos­ter, Kauf­mann, Samm­ler und Mäzen der Künste in Padua;
rechts: Karl-Fried­rich Schin­kel (13. März 1781 in Neuruppin,
† 9. Okto­ber 1841 in Berlin), Klos­ter-Schü­ler, preu­ßi­scher Baumeis­ter, Archi­tekt, Stadt­pla­ner, Maler und Grafiker
Fotos: Streit­sche Stiftung

links: Otto von Bismarck (* 1. April 1815 in Schön­hau­sen (Elbe), † 30. Juli 1898 in Fried­richs­ruh) Klos­ter-Schü­ler, Poli­ti­ker und Staats­mann; rechts: Fried­rich Schlei­er­ma­cher (*21. Novem­ber 1768 in Bres­lau, † 12. Februar 1834 in Berlin) evan­ge­li­scher Theo­loge, Altphi­lo­loge, Philo­soph, Publi­zist, Staats­theo­re­ti­ker, Kirchen­po­li­ti­ker und Pädagoge
Fotos: Streit­sche Stiftung

Im 20. Jahr­hun­dert bewies die Schule erneut, dass sie fort­schritt­lich war. So rich­tete das Berli­ni­sche Gymna­sium im Jahre 1923 eine Studi­en­an­stalt für Mädchen ein. Die ersten Lehre­rin­nen nahmen hier ihre Arbeit auf. Im Jahre 1926 entstand in der Schule ein Lehrer­se­mi­nar für Latein und Griechisch.

links: Ludwig Beller­mann (* 7. Novem­ber 1836 in Berlin,
† 8. Februar 1915 in Berlin) Philo­loge, Germa­nist und Pädagoge, Klos­ter-Schü­ler, später Direk­tor am Berli­ni­schen Gymna­sium zum Grauen Klos­ter; rechts: Aula des Berli­ni­schen Gymna­si­ums zum Grauen Kloster
Fotos: links: Streit­sche Stif­tung; rechts: Landes­bild­stelle Berlin

Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Gewalt­herr­schaft hatte auch an dieser Schule ihre tödli­chen Folgen. Vier Stol­per­steine erin­nern an das Schick­sal jüdi­scher Schü­ler und jüdi­scher Lehrer, an ihre Vertrei­bung und Ermor­dung. Sie erin­nern auch an das kollek­tive Versa­gen der Schule. In einem gemein­sa­men Projekt der Streit’schen Samm­lun­gen und eines Geschichts­kur­ses des Evan­ge­li­schen Gymna­si­ums zum Grauen Klos­ter in Schmar­gen­dorf wurden die Stol­per­steine verlegt.

links: Stol­per­steine für Dr. Willi Lewin­sohn (ehem. Klos­ter­leh­rer) und Fami­lie auf dem Schul­ge­lände in der Klos­ter­straße, verlegt am 28. April 2012; rechts: Sieg­bert Steh­mann (* 9. April 1912 in Berlin, † 18. Januar 1945 bei Koralla im Kreis Brzes­kow-Mowo), Klos­ter-Schü­ler, evan­ge­li­scher Pfar­rer und Dichter
Fotos: links: Benja­min Gutz­ler, rechts: Streit­sche Stiftung

Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg

Der 2. Welt­krieg verwüs­tete die Schule auch in ihrer Außen­ge­stalt. Die Schul­ge­bäude wurden nahezu komplett zerstört, bis auf das Lang­haus, das in Zeiten der deut­schen Teilung von den DDR-Behör­den zunächst als erhal­tens­wer­tes Denk­mal einge­stuft worden war – dann aber abge­ris­sen wurde, und die Klos­ter­ruine, die Sie jetzt noch sehen.

Die Schule als solche blieb im heuti­gen Stadt­teil Berlin-Mitte bestehen, wech­selte aber mehr­fach ihren Stand­ort. Im Jahr 1958 wurde der Schule aus poli­ti­schen Grün­den der Name entzo­gen. Fortan gab es das Berli­ni­sche Gymna­sium erst einmal nicht mehr. Aus dem Berli­ni­schen Gymna­sium zum Grauen Klos­ter wurde nun die 2. EOS. Monika Maron, eine Absol­ven­tin des Grauen Klos­ters, schreibt, dass sie 1955 auf die weiter­füh­rende Schule kam, ein Gymna­sium. In der DDR war das eigent­lich ein verpön­ter Begriff, der nur noch für das Berli­ni­sche Gymna­sium zum Grauen Klos­ter galt. Maron fährt fort, sie sei dennoch immer stolz gewe­sen, auf dieser Schule gewe­sen zu sein. Sie sagt dies noch heute gern, obwohl sie nur den soge­nann­ten R‑Zweig absol­vierte, also den Zweig mit verstärk­tem Russisch­un­ter­richt. Im Jahr 1963 wurde die namen­lose Zeit der Schule been­det. Ehema­lige der alten Schule bemüh­ten sich erfolg­reich darum, die Tradi­tion der Schule in Inhalt und im Namen fort­be­stehen zu lassen.

Das zerstörte Areal des Grauen Klosters
Foto: Landes­bild­stelle Berlin

Hüter der Tradi­tion wurde das Evan­ge­li­sche Gymna­sium, das 1949 als huma­nis­ti­sches Gymna­sium in Tempel­hof gegrün­det worden war. Seit 1954 exis­tiert die Schule an der Salz­brun­ner Straße in Wilmersdorf/​Schmargendorf. Sie über­nahm den Namen und die Tradi­tion des Berli­ni­schen Gymna­si­ums und trägt seit­dem den Namen Evan­ge­li­sches Gymna­sium zum Grauen Klos­ter und führt bis heute die Tradi­tion weiter. Diese Schule hat sich im Laufe der Jahr­zehnte eben­falls einen exzel­len­ten Ruf erar­bei­tet und gehört zu den ange­se­hens­ten Schu­len der Stadt.

Auch an dieser Schul­his­to­rie zeigt sich – wie so häufig in Berlin – die Geschichte der deut­schen Teilung. Schü­ler des alten Gymna­si­ums zogen nach Schlie­ßung ihrer Schule in den West­teil der Stadt und besuch­ten das Evan­ge­li­sche Gymna­sium, um dort das Abitur abzu­le­gen. Auch das Evan­ge­li­sche Gymna­sium in Pots­dam-Hermanns­wer­der wurde zu einem Zufluchtsort.

Schul­fest am Evan­ge­li­schen Gymna­sium zum Grauen Klos­ter in Berlin-Wilmers­dorf zu Beginn der 2000er Jahre
Foto: Benja­min Gutzler

Einer von ihnen war Markus Meckel, der aus Anlass der 50-jähri­gen Tradi­ti­ons­über­nahme am 14. Septem­ber 2013 in der Aula des Evan­ge­li­schen Gymna­si­ums den Fest­vor­trag hielt. Er war nie Schü­ler der Schule in Schmar­gen­dorf gewe­sen, sondern von 1967 bis 1969 Schü­ler der dama­li­gen Schule in Ost-Berlin. Er besuchte danach das Kirch­li­che Ober­se­mi­nar in Pots­dam-Hermanns­wer­der, um dort sein Abitur zu machen. Markus Meckel sagt, er sei immer sehr stolz auf seine Schule gewe­sen, obwohl sie den Namen nicht mehr tragen durfte. In den Köpfen habe die Schule aber immer weitergelebt.

Vortrag von Markus Meckel in der Aula des Evan­ge­li­schen Gymna­si­ums zum Grauen Klos­ter am 14. Septem­ber 2013
Fotos: Benja­min Gutzler

Ich sagte eingangs, dass sich Menschen aus Ost und West, Ehema­lige, Eltern und Kolle­gen für die Wieder­be­le­bung am alten Stand­ort einset­zen. Den Förder­ver­ein gibt es seit 2001. Er fris­tete aber aufgrund der schwie­ri­gen Rahmen­be­din­gun­gen, zu denen ich später noch kommen werde, über viele Jahre ein Schat­ten­da­sein. Die Stadt­mitte über­haupt entschwand vorüber­ge­hend aus dem Blick­feld der Öffent­lich­keit. Erst als der Bebau­ungs­plan und damit das Plan­werk Innen­stadt für die Aufwer­tung der Stadt­mitte, also den Molken­markt und das Klos­ter­vier­tel, 2016 verab­schie­det wurde, ist wieder Bewe­gung in die Debatte gekommen.

Zusätz­lich zum Förder­ver­ein Graues Klos­ter-Mitte gibt es zwei Stif­tun­gen, die sich mit dem Erbe der Schule beschäf­ti­gen. Da ist zum einen die Stif­tung Berli­ni­sches Gymna­sium zum Grauen Klos­ter, die sich in erster Linie um die Besitz­ver­hält­nisse des ehema­li­gen Klos­ter­are­als kümmert. Darüber hinaus gibt es die Streit’sche Stif­tung, die in ihren Samm­lun­gen das Erbe der alten Schule pflegt und alles von Bedeu­tung sammelt, auch von der Schule in Schmar­gen­dorf. Die berühmte Biblio­thek von Sigis­mund Streit, die er der Schule vermachte (von ihm war schon die Rede), seine kost­bare Gemäl­de­samm­lung, aber auch alles Aufhe­bens­werte von Schü­lern, Ehema­li­gen und Lehrern der Schule wird in den Streit’schen Samm­lun­gen in der Brei­ten Straße archi­viert. Bismarcks Schul­auf­sätze beispiels­weis kann man dort, nach Voranmel­dung, einse­hen. Sie werden dann fest­stel­len, wie modern die Aufga­ben­stel­lun­gen für einen Deutsch­auf­satz um 1830 waren.

Doch nun zur Gegen­wart. Warum soll das Evan­ge­li­sche Gymna­sium zum Grauen Klos­ter in Schmar­gen­dorf eine Schwes­ter­schule am alten Stand­ort erhal­ten? Diese Frage wird kontro­vers disku­tiert. Ehema­lige der alten Schule waren nicht unbe­dingt über­zeugt davon, dass die Schmar­gen­dor­fer Schule die Tradi­tion der alten Schule über­neh­men und weiter­füh­ren sollte. Aber auch Ehema­lige des Evan­ge­li­schen Gymna­si­ums und aktive Eltern der Schule sehen die Bedeu­tung der jetzi­gen Schule gefähr­det und fürch­ten um den Namen.

Ich persön­lich, in Über­ein­stim­mung mit meinen Vorstands­kol­le­gen, sehe dafür keinen wirk­li­chen Anlass, weder für die eine noch für die andere Posi­tion. Natür­lich wird die Schule in Schmar­gen­dorf ihren Namen behal­ten und das Schwes­ter­in­sti­tut wird mögli­cher­weise den alten Namen wieder­be­kom­men, Berli­ni­sches Gymna­sium zum Grauen Klos­ter. Infolge der schwie­ri­gen Geschichte unse­rer Stadt ist dies voll­kom­men gerecht­fer­tigt. Glück­li­cher­weise hat die Schmar­gen­dor­fer Schule die Tradi­tion auf so wunder­bare Weise weiter­ge­führt, dass sie nicht verlo­ren gegan­gen ist. Auch das ist ein Aspekt, den man nicht verges­sen darf. Die „neue” Schule am alten Stand­ort wird hoffent­lich wieder Leben in eine derzeit noch ziem­lich leblose Gegend brin­gen und so an die groß­ar­tige geis­tige und kultu­relle Tradi­tion der alten Schule wieder anknüp­fen. Man darf hoffen, dass der genius loci dann auch in die Stadt­ge­sell­schaft hineinwirkt.

Aus Anlass der 60-Jahr­feier des Evan­ge­li­schen Gymna­si­ums in Schmar­gen­dorf hielt Altbi­schof Prof. Dr. Wolf­gang Huber am 6. Septem­ber 2009 in der Aula der Schule eine Radio­an­dacht, in der er auch auf den alten Stand­ort zu spre­chen kam. Ich zitiere:

„… Da ist zum Beispiel das Fran­zis­ka­ner­klos­ter in der Mitte Berlins. Ahnungs­los fahren viele heute an der Ruine vorbei. Aber welch eine Geschichte! Über Jahr­zehnte war dort an einen Schul­be­trieb nicht zu denken … Doch unter­stütze ich die Hoff­nung, dass auch die Ruine in der Mitte Berlins eines Tages wieder mit Leben gefüllt wird …“. (Wolf­gang Huber)

Hans Stim­mann gehört eben­falls zu den Befür­wor­tern der Rück­ge­win­nung des alten Stand­or­tes. Als Senats­bau­di­rek­tor und als Staats­se­kre­tär in der Senats­ver­wal­tung für Stadt­ent­wick­lung konzi­pierte er unter ande­rem das Plan­werk Innen­stadt und setzte sich nach­drück­lich für eine kriti­sche Rekon­struk­tion der Stadt­mitte ein. Sie müsse sich am histo­ri­schen Grund­riss und an der loka­len Bauty­po­lo­gie orien­tie­ren, forderte Stim­mann. Es verging mehr als ein Jahr­zehnt, bis im Jahr 2016 der Bebau­ungs­plan für diese Stadt­re­gion endlich beschlos­sen wurde. Hans Stim­mann, mitt­ler­weile zum Mahner gewor­den, beklagte in einem Fach­zeit­schrif­ten­ar­ti­kel im Jahr 2015, dessen Über­schrift „Von der Staats­mitte zur Stadt­mitte” lautete, dass Berlin sich gegen­über seiner heuti­gen Stadt­mitte unent­schlos­sen und desin­ter­es­siert zeige. Er zog zum Vergleich die Anstren­gun­gen ande­rer deut­scher Städte bei der Rekon­struk­tion ihrer Innen­städte heran, wie zum Beispiel Dres­den, Frank­furt am Main oder Lübeck. Auch in dieser Ausstel­lung werden die Beispiele ande­rer rekon­stru­ier­ter Städte zum Vergleich herangezogen.

Die Rekon­struk­tion des Berli­ner Schlos­ses, lange Zeit kontro­vers disku­tiert, wird nach der Fertig­stel­lung des Baus sicher­lich auch die Debatte um die Rekon­struk­tion der Berli­ner Innen­stadt weiter voranbringen.

Zur Berli­ner Situa­tion sagte Stim­mann, ich zitiere:

… „vergleicht man dies mit der rela­ti­ven Berli­ner Inter­es­se­lo­sig­keit, mit der dieses Projekt bisher in Berlin beglei­tet wird, dann weiß man, wie gründ­lich und erfolg­reich hier das Stadt­ge­dächt­nis unter dem Asphalt des Grun­er­stra­ßen-Durch­bruchs begra­ben wurde“.

Stim­mann pran­gerte auch die fehlende öffent­li­che Debatte über den Großen Jüden­hof und die Rekon­struk­tion des Molken­markts an und äußerte sich zum Berli­ni­schen Gymna­sium zum Grauen Klos­ter wie folgt:

“Wo ist das öffent­li­che Enga­ge­ment für die Wieder­ein­rich­tung der bedeu­tends­ten Bildungs­stätte des Berli­ner Bürger­tums, des Gymna­si­ums zum Grauen Kloster?”

Die Geschichts­ver­ges­sen­heit in dieser Stadt hinter­lässt viele Fragen und Lücken.

Eine dieser Lücken füllt nun erfreu­li­cher­weise die heutige Veran­stal­tung, für deren Initia­tive ich mich sehr bei den Orga­ni­sa­to­ren des „Forum-Stadt­bild“ bedanke, beson­ders bei Frau Schä­fer-Junker und Herrn Krüger. Wie beim Förder­ver­ein sind alle Akteure ehren­amt­lich Enga­gierte. Schade, dass es erst durch eine private und ehren­amt­li­che Initia­tive dazu kommt, dass die Debat­ten um die Zukunft der alten Schule endlich wieder in die Öffent­lich­keit getra­gen werden. Wo ist die Poli­tik? Wo sind die Medien?

Wer hier in der Stadt­mitte zu tun hat oder hier arbei­tet, kommt nicht umhin, gele­gent­lich die Grun­er­straße passie­ren zu müssen. Man tut dies meis­tens ziem­lich schnell und in Hast wegen der heran­ra­sen­den Autos. Viele Menschen nehmen diesen Ort gar nicht wahr, sie wissen nicht um seine Geschichte. Es sei denn, sie biegen von der Grun­er­straße in die Klos­ter­straße ab und werden der Ruine gewahr und auch der dahin­ter liegen­den Paro­chi­al­kir­che. Dank der Spen­den der Wall AG ist sie nun wieder ein weit­hin sicht­ba­rer Orien­tie­rungs­punkt gewor­den. An der Grun­er­straße jedoch reihen sich konfek­tio­nierte Malls, die absto­ßende Fassade eines Park­hau­ses und eine verwahr­loste Grün­flä­che anein­an­der. Da verlässt man den Ort schnell wieder.

Hier, an der Paro­chi­al­kir­che und auf dem alten Kirch­hof, der durch seine Restau­rie­rung nun wieder zu einem Ruhe- und Anlauf­punkt in der Klos­ter­straße gewor­den ist, tritt man in eine etwas andere Welt ein. Um die Klos­ter­ruine bemüht sich der Verein Klos­ter­ruine e.V., um zumin­dest die Klos­ter­ruine wieder ins kollek­tive Gedächt­nis zurück­zu­ho­len. Der Film über die Geschichte der Klos­ter­ruine ist sehens­wert, er klam­mert aber die rest­li­che Bebau­ung nahezu völlig aus, unter ande­rem auch die alte Schule. Immer­hin war die Klos­ter­kir­che das Zentrum des eins­ti­gen Ensem­bles, heute würde man von einem Bildungs­cam­pus sprechen.

Planungs­va­ri­ante aus der Machbarkeitsstudie
Abbil­dung: Herwarth + Holz

Für und Wider Schulbau

Der Förder­ver­ein hat im Jahre 2010 eine Mach­bar­keits­stu­die anfer­ti­gen lassen, die Sie auch auf den Roll-Ups sehen können. Viel­fach wird behaup­tet, dass dieser Ort keine dichte Bebau­ung gestatte, da sonst die Ruine gefähr­det sei und die Grün­flä­che verschwin­den würde. Maritta Tkalec hat am 2. Juli 2018 in der Berli­ner Zeitung unter der Über­schrift „Im guten Geist des Grauen Klos­ters” einen Arti­kel zum Berli­ni­schen Gymna­sium zum Grauen Klos­ter geschrie­ben. Sie erin­nert daran, dass vor 50 Jahren die DDR-Führung unter Ulbricht die letz­ten Reste der ältes­ten Schule Berlins platt­ma­chen ließ. Sie brach mit einer 400-jähri­gen Tradi­tion – zuguns­ten einer Autotrasse .

Ruine der Klos­ter­kir­che, links der aktu­elle Zustand, rechts der Zustand nach dem zwei­ten Weltkrieg
Foto: links: Benja­min Gutz­ler, rechts: Landes­bild­stelle Berlin

Die Fotos des Ensem­bles vor der Zerstö­rung und nach der Zerstö­rung lassen deut­lich erken­nen, dass die Kirchen­ruine in der histo­ri­schen Bebau­ung einen zentra­len Platz einnahm, das heißt, dass die Bebau­ung eine sehr dichte war. Aber natür­lich gab es damals die Grun­er­straße nicht – die Klos­ter­straße war die entschei­dende Achse.

Das zerstörte Areal um die Klos­ter­kir­che nach dem 2. Weltkrieg

Foto: Landes­bild­stelle Berlin

Der B‑Plan (Bebau­ungs­plan) sieht in seinen Planun­gen auf dem Klos­ter­areal einen Schul­bau vor (siehe Roll-Ups). Aber ein Teil der Fläche soll Grün­flä­che blei­ben. Selbst bei dem nun begin­nen­den Rück­bau der Grun­er­straße ist der Raum für eine zu errich­tende Schule knapp. Die Ausrich­tung der Baukör­per zur Grun­er­straße hin bedeu­ten eine hohe Lärm­be­las­tung. Das Landes­denk­mal­samt (LDA) argu­men­tiert stark für die Erhal­tung der Klos­ter­kir­chen­ruine als Soltär, das heißt ein Schul­bau ist für das LDA derzeit kaum vorstell­bar. Auch sind die Planun­gen für Grabun­gen in diesem Bereich bedau­er­li­cher­weise sehr weit nach hinten verscho­ben worden. Das würde bedeu­ten, dass es vorläu­fig keinen Schul­bau geben wird. Das Gebäude, das sich an das Areal der Klos­ter­ruine anschließt, gehört schließ­lich dem Berli­ner Senat, es ist derzeit vermietet.

Das sind die Rahmen­be­din­gun­gen – sie sind nicht gerade güns­tig. Teil­weise erge­ben sie sich aus den Folgen des 2.Weltkrieges und aus der Teilungs­ge­schichte der Stadt, teil­weise sind sie auch der derzei­ti­gen poli­ti­schen Bewer­tung dieses Areals, dieses Projek­tes, geschul­det. Einen weite­ren reinen Gedenk­ort benö­tigt diese Stadt unse­rer Meinung nach nicht, davon haben wir viele. Aber einen leben­di­gen Ort mit guter Bildung, in guter Tradi­tion, den kann Berlin gut gebrau­chen. Denn diese Stadt, unsere Haupt­stadt, braucht nicht nur viele neue Schu­len für unsere Neubür­ger, sondern auch Schu­len mit Quali­tät. Warum tut sich Berlin so schwer damit, diesen Ort wieder­be­le­ben? „Die urbane Silhou­ette eröff­net Welten und schließt den Himmel“ hat ein Huma­nist und Pazi­fist einmal so schön gesagt.

Ausblick

Nach den skiz­zier­ten schwie­ri­gen räum­li­chen und poli­ti­schen Rahmen­be­din­gun­gen werden Sie natür­lich fragen, was für eine Art von Schule soll dort hin und wer finan­ziert sie?

Die Initia­to­ren des Förder­ver­eins hatten im Wesent­li­chen eine Kopie der Schule in Schmar­gen­dorf im Sinn, also eine Schwes­ter­schule, die evan­ge­lisch, also konfes­sio­nell ausge­rich­tet ist, huma­nis­tisch und altsprach­lich, also Latein und Grie­chisch als Kern des Fremd­spra­chen-Programms vorsieht. Da aber die Pläne für die Errich­tung der Schule aufgrund des nicht beschlos­se­nen Bebau­ungs­plans sich weit in die Zukunft verscho­ben haben, wurde bisher auch nicht entschei­dend an einem konkre­ten Konzept gear­bei­tet. Nun sind wir im Jahr 2018, unsere Stadt ist gewach­sen, sie wächst weiter und hat sich auch sonst sehr verän­dert, wenn man sie mit den ausge­hen­den 90er- Jahren vergleicht, als das Plan­werk Innen­stadt entstand und sich auch der Förder­ver­ein bildete.

Deshalb bin ich mit Aussa­gen, was das Konzept anbe­langt, noch etwas vorsich­tig. Aufgrund des perso­nel­len Wech­sels im Vorstand des Vereins stehen wir in dieser Frage noch am Anfang. Soviel will ich aber schon sagen, in weit­ge­hen­der Über­ein­stim­mung mit meinen Vorstandskollegen:

  • Diese Schule muss wieder ein Gymna­sium werden.
  • Die alten Spra­chen werden wieder eine wich­tige Rolle spie­len, aber müssen ange­mes­sen in ein Gesamt-Fremd­spra­chen-Konzept einge­bet­tet werden.
  • Nach meinem Dafür­hal­ten sollte die Schule eine eher interreligiöse/​inter­kon­fes­sio­nelle Ausrich­tung haben, war doch die alte Schule auch eine städ­ti­sche Schule, alle Konfes­sio­nen wurden dort unter­rich­tet. Die St. Petri/​St. Marien Gemeinde, sozu­sa­gen an diesem Ort die Haus­her­rin, enga­giert sich beim House of One, einem inter­re­li­giö­sen Projekt. Auch dies könnte eine Rich­tung vorgeben.
  • Wer soll das Vorha­ben finan­zie­ren? Wer hat 50 Millio­nen Euro übrig?

Ich glaube, dass es am Ende einer poli­ti­schen Willens­bil­dung bedarf, um diese Schule wieder zu begrün­den. Wenn dieser Jahr­hun­derte alte Ort wieder mit Leben gefüllt wird, dann werden sich auch Menschen finden, die das Geld dafür aufbrin­gen. Deutsch­land ist ein reiches Land. Auch die Stadt und das Land Berlin sind gefragt. Eine Koope­ra­tion freier Träger, der Kirchen und der Wirt­schaft könnte ich mir denken – in Anleh­nung an den Ausspruch Markus Meckels, dass die Schule weiter­lebe, dass sie damit unsterb­lich sei.

Rede von Brigitte Thies-Bött­cher am 12. Okto­ber 2019 in der Paro­chi­al­kir­che, anläss­lich einer Veran­stal­tung von Forum Stadt­bild zum Thema Molken­markt und Klos­ter­vier­tel – ein lebens­wer­ter Ort

Plan­werk Innen­stadt: Die Wieder­be­grün­dung des Berli­ni­schen Gymna­si­ums zum Grauen Kloster

(Ausschnitt aus dem Masterplan)

Foto: Herwarth + Holz