Hans Stimmann
Foto: Andreas Praefcke, wikimedia commons
Neue Schule an historischem Ort
Planwerksbeschluss Senatsverwaltung Stadtentwicklung Berlin, 1999
Das Gebiet um die ehemalige Klosteranlage der Franziskaner aus dem 12. Jahrhundert ist, wie kaum ein anderer Bereich in der Stadt der Kriegszerstörung und Nachkriegsplanung zum Opfer gefallen. An dieser Stelle, wo sich einst die Keimzelle der Stadt befand, erinnern nur noch wenige Gebäude an die frühere kleinteilige und dichte mittelalterliche Struktur.
Mit dem Ausbau der vielspurigen Grunerstraße hat das nach dem ehemaligen Kloster noch heute benannte Viertel auch seinen Stadtzusammenhang zu den angrenzenden Bereichen wie Rathausviertel und Alexanderplatz verloren. Doch die Kirchenruine des einstigen Gymnasiums zum “Grauen Kloster” symbolisiert weitaus mehr als einen städtebaulichen und architektonischen Verlust. Die baulichen Reste der ehemals höheren Bildungsanstalt sind ein Zeichen für die kulturelle Verödung des Stadtzentrums und das bewusste Auslöschen von Traditionen in der Nachkriegszeit.
Das Gymnasium, 1574 in einem nach der Reformation aufgelösten Franziskanerkloster gegründet, war ein wichtiger Meilenstein für die allgemeine Schulbildung im Land Preußen. Etliche Geistesgrößen und Politiker – wie Stüler, Schadow, Schinkel und Otto von Bismarck – genossen die Schulbildung der Institution, deren traditioneller Name Graues Kloster auf die Kuttenfarbe der Bettelmönche zurückgeht.
In der DDR wurde 1958 radikal mit der Tradition der Schule gebrochen und zunächst der vier Jahrhunderte alte Name verboten. Der Schulbetrieb wurde in einem Ausweichquartier in der Niederwallstraße weitergeführt. Später wurde das Gymnasium unter historischem Namen im Westteil der Stadt neu gegründet.
Die Entscheidung des Fördervereins zum Grauen Kloster, am historischen Standort in Berlin-Mitte an die einstige Schultradition anzuknüpfen und ein Gymnasium neu zu gründen, wird vom Senat von Berlin begrüßt und unterstützt.
Die Planungen sind eingebettet in eine Gesamtkonzeption für den Bereich Klosterviertel und Molkenmarkt, Planwerksbeschluss 1999. Am Ende der Planungen soll ein Viertel entstehen, das sowohl an Traditionen und kleinteilige Strukturen anknüpft als auch Beispiel für eine wiederentdeckte städtische Nutzungsvielfalt auf engem Raum ist.
Bei der Schulnutzung handelt es sich um die erste konkrete neue Nutzung für das Stadtviertel. Die Frage nach der Architektur der Schule und dem Umgang mit der historischen Klosterruine wird, wie zu erwarten war, kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite die Fraktion, die für den Erhalt der Ruine als Kriegsmahnmal plädiert, dem gegenüber die große Anzahl von Fachleuten und interessierten Bürgern, welche die Einbeziehung der Ruine in eine Schulkonzeption für zeitgemäß und konzeptionell realisierbar halten.
Dr. Hans Stimmann, Senatsbaudirektor
Aus dem Vorwort zum Ausstellungskatalog
“Graues Kloster Berlin Mitte. Neue Schule auf historischem Standort: Architektur-Entwürfe der Fakultät für Architektur der Universität Karlsruhe zum Grauen Kloster”
in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung” Berlin, 2004